Wer mich kennt, weiß, dass ich im Institut für Wohn- und Architekturpsychologie (IWAP) aktiv tätig bin. Unser Ziel ist es, dass Gebäude auch nach den menschlichen Bedürfnissen entworfen, entwickelt und gebaut werden.
Auch wenn momentan die Energiethemen, Baukosten und die Wohnungsnot ganz oben auf der Agenda stehen, muss der Fokus auch auf eine lebenswerte Architektur und Lebensraumgestaltung gerichtet sein.
Diese sind in der Planung bereits zu integrieren und führen in der Regel nicht zu höheren Baukosten, vermeiden jedoch wohnpsychologische Bauschäden.
Und genau zu diesem Thema gibt es vom 22. – 25.11.2022 unseren Online-Kongress „HUMANES BAUEN“ Hilfreiches Wissen für die Baupraxis.
Hier geben wir unser aktuelles Wissen darüber weiter:
- wie Gebäude auf Menschen wirken – auf ihr Befinden und Verhalten, auf Beziehungen in Familie oder Nachbarschaft,
- auf Konflikt- oder Kontaktfreudigkeit, Entspannung oder Gereiztheit
- warum manche Projekte aus wohnpsychologischer Sicht scheitern, ohne dass die Ursachen jemandem bewusstwerden
In erster Linie gerichtet an alle Entscheidungsträger, Projektentwickler, Investoren, Wohnbauunternehmen aber auch an alle Interessierte, denen bewusst ist, dass unsere gebaute Umgebung uns täglich beeinflussen.
In den letzten Wochen habe ich zu unserem Kongress verschiedene Themen in meinen Sozialen Netzwerken auf Facebook und LinkedIn vorgestellt, die ich hier nochmals zusammengefasst habe.
- Beitrag 1 – Auf welchem Balkon willst du sitzen
- Beitrag 2 – Wohnen und Einsamkeit
- Beitrag 3 – Wohnen im Alter
- Beitrag 4 – Angsträume, Vandalismus, Kriminalität
- Beitrag 5 – Welche Wohnung brauchen Familien
Beitrag 1 – Auf welchem Balkon willst du sitzen?

Kaum mehr eine Wohnung wird heutzutage ohne Balkon oder Freisitz geplant. Die Wichtigkeit auch den Bezug zur Natur zu bekommen ist unbestritten für das Wohlbefinden der Menschen, welche sich zu fast 90 % in Innenräumen aufhalten.
Doch welche Art von Balkon brauchen Menschen, um ihn anzunehmen?
- In der Regel wird der Balkon zum Entspannen genutzt.
- Doch um entspannen zu können, brauchen wir das Gefühl des Schutzes und der Sicherheit.
- Wir mögen es nicht, wenn wir schutzlos sind und das betrifft nicht nur das Wetter auch der Sichtschutz ist hier ein großes Thema.
Wenn ich mir jetzt den linken (orangenen) Balkon ansehen bin ich auf diesem „schutzlos“ den Blicken meiner Nachbarn ausgeliefert. In der Wohnpsychologie sprechen wir hier davon, dass man in dieser Situation „on stage“ ist, also wie auf einer Bühne steht.
In der Wohnpsychologie betrachten wir nun die Bedürfnisse der Bewohner im Bezug zur Architektur und welche Reaktionen hervorgerufen werden:
- Der Balkon wird nicht genutzt.
- Der Balkon wird nur als Abstellfläche genutzt, wobei das Fahrrad wohl noch die ansehlichste Variante darstellt, oftmals sieht man dann dort auch Getränkekisten, Putz- und Mülleimer etc. stehen…
- Die Bewohner beginnen sich abzuschotten, indem sie Sicht- und Sonnenschutzelemente in Form von Planen, Schilfmatten o.ä. anbringen. Dies hat zur Folge, dass die gesamte Fassade bald kunterbunt wirkt. Inzwischen kenne ich schon Urteile und Vorschriften von Eigentümern und Hausverwaltungen, die dies unterbinden und bestrafen.
Fazit: hier läuft etwas schief – hier passt der Gestaltungsansatz der Architektur nicht mit den Bedürfnissen der Bewohner zusammen.
Wie muss ein Balkon gestaltet sein, damit er angenommen wird?
- Sichtschutzmöglichkeit, sodass sich die Bewohner sicher fühlen, denn wenn wir uns entspannen möchten, brauchen wir dieses Sicherheitsgefühl.
- Transparenz und Sonnenschutz muss gegeben sein.
- Bis zu einem gewissen Grad auch die Möglichkeit der Gestaltung mit Pflanzen, etc.
In der Wohn- und Architekturpsychologie betrachten wir genau diese Punkte, was Menschen von ihrer gebauten Umgebung brauchen, um sie anzunehmen und um dort gut leben zu können.
Beitrag 2 – Wohnen und Einsamkeit

Nach einem Fernsehbericht vor kurzem, lässt mich auch dieses Thema nicht los. Es ist leider sehr präsent in unseren Städten, dass viele Menschen unter Einsamkeit leiden. Und auch hier kann die Architektur ihren Beitrag leisten.
Unser Kongress HUMANES BAUEN bietet den Blick aus der Wohn- und Architekturpsychologie auf unsere Architektur auch auf das Thema:
Wohnen und Einsamkeit
Gerade in Städten steigt die Zahl derer, die an Einsamkeit leiden. Und das sind nicht nur ältere Menschen, auch viele jüngere sind inzwischen davon betroffen.
Je enger Menschen aufeinander wohnen, je mehr besteht auch das Bedürfnis der Abschottung nach außen, da wir jedoch ohne soziale Kontakte auch nicht leben können, braucht es gerade in diesen verdichteten Bereichen ganz gezielte gut gestaltete Begegnungsräume, in denen wir uns annähern können.
Und auch hier kann die Architektur und die gebaute Umwelt ihren Beitrag leisten, dass dies vermindert wird.
Einsame Menschen finden keinen Kontakt zu ihren Mitmenschen und leiden sehr darunter.
Doch was braucht es, um Kontakt aufzunehmen?
- Ich muss aus sicherer Distanz entscheiden können, ob ich Kontakt aufnehmen möchte
- Ich darf mich nicht eingeengt fühlen
- Ich brauche nach wie vor den Überblick und meine Rückzugsmöglichkeit
- Ich muss entscheiden können, wieviel Kontakt ich aktuell möchte
- Deswegen braucht es den notwendigen Raum für solche Begegnungen.
Unser Ziel ist es, dass Gebäude auch nach den menschlichen Bedürfnissen entworfen, entwickelt und gebaut werden – hierbei sind wir beratend tätig und analysieren geplante und auch gebaute Projekte und begleiten diese bis zur Zertifizierung.
Dies war übrigens der meistgelesene Beitrag und ich denke, nicht erst seit Corona ist das Thema Einsamkeit ein wichtiges nicht zu unterschätzendes gesellschaftliches Thema, welches in Zukunft immer wichtiger wird.
Beitrag 3 – Wohnen im Alter

Wohnen im Alter – die Wohnbedürfnisse verschieben sich
Auch das ist ein Thema, zu dem es bei unserem Kongress HUMANES BAUEN verschiedene Beiträge gibt.
Ist es nicht so:
Solange man im turbulenten Berufs- und Familienleben steckt, ist der Wunsch nach Ruhe umso größer – das Haus im Grünen, fernab der Stadt, das wäre so ein Wunschziel….
…. doch wie ist es, wenn dies nicht mehr so ist? Dann ist man vielleicht dankbar, wenn das Leben ringsum interessante Abwechslung gibt und die Ruhe im Grünen wird zur unangenehmen Stille.
Gerade der Moment, in dem wir aus dem aktiven Berufsleben aussteigen, stellt für viele nochmals vieles in Frage:
Wie will ich im Alter Wohnen?
Es gibt im Kongress z.B. folgende interessante Beiträge:
Lust aufs Wohnen 55plus – mehr als nur barrierefrei von Monika Feldmer-Metzger
Welche Wohnbedürfnisse werden mit zunehmendem Alter wichtiger und welche verändern sich?
Wann sollte man sich bereits Gedanken machen und für sich die Weichen stellen.
Hier werden auch unterschiedliche Wohnformen von Gemeinschaftlichem Wohnen, Co-Housing, Mehrgenerationenhaus etc. vorgestellt.
Mehr Lebensqualität für ältere Menschen 50plus von Stefan Leuenberger
Einfamilienhaus vs. Co-Housing
Spannend gegenübergestellt die beiden Wohnformen Einfamilienhaus gegenüber Co-Housing, als Anregung zum Nachdenken und Reflektieren, welche Schwerpunkte man in seiner Lebensraumplanung hat.
Auch dies war ein Beitrag, welcher oft gelesen und kommentiert wurde, denn es beschäftigt doch viele, wie unsere Wohnzukunft – Wohnen im Alter – aussehen wird.
Beitrag 4 – Angsträume, Vandalismus, Kriminalität

Parkhäuser, Unterführungen, dunkle Gassen, unübersichtliche Wege … das sind genau diese Bereiche, die man als Frau (und auch als Mann) gerne vermeidet – so geht es mir zumindest.
Vandalismus, Hausfriedensbruch, Einbruch, Kriminalität, Verwahrlosung, was sind die baulichen Gründe dafür und wie kann hier bei guter Planung entgegengewirkt werden.
Und auch zu diesem Thema gibt es beim Kongress HUMANES BAUEN einen spannenden Beitrag von
Janine Müller und Konrad Melzer:
Neighbourhood kills crime – Kriminalitätsprävention für Lebensräume –
Kriminalität und Architektur
Aus unserer Arbeit und der wohnpsychlogischen Projektanalyse von verschiedenen Projekten, lässt sich ganz klar erkennen, weshalb manche Wohngebiete, Siedlungen und Bereiche als sicher empfunden werden und manche ständig mit Problemen zu kämpfen haben – auch das gehört zum Humanen Bauen.
Beitrag 5 – Welche Wohnung brauchen Kinder und Familien?

Familiengerecht was ist das? – Wohnen mit Kindern
Was brauchen Kinder, um glücklich zu wohnen?
Was brauchen Eltern, um glücklich zu wohnen?
Was brauchen Mütter, um glücklich zu wohnen?
Was brauchen Väter, um glücklich zu wohnen?
Was brauchen Geschwister, um glücklich zu wohnen?
Mir fallen noch viele Fragen ein und wenn ich mir jetzt die Antworten überlege, ist jede sicherlich etwas anders.
Kinder brauchen die Nähe zu den Eltern (und auch mal den Abstand, wenn sie älter werden)
Eltern brauchen auch mal Zeit und Raum für sich
Mütter brauchen Bereiche für sich und die Familie
Väter brauchen Raum, um Energie zu tanken und Zeit und Raum für die Familie
Geschwister brauchen Nähe und Distanz, Elternzeit und Geschwisterzeit
Die Größe einer Wohnung, das wissen wir aus der Wohnpsychologie, besagt noch nichts über die Qualität einer Familienwohnung.
Es kommt letztendlich auf die Auf- und Einteilung sowie die Gestaltung der Räume an, damit für alle ein Zuhause entstehen kann.
Wie die Bereiche für die Begegnung innerhalb der Familie und mit Freunden gestaltet sind und der notwendige Rückzugsbereich für die einzelnen Familienmitglieder vorhanden ist.
Die typische Wohnung mit Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer und Kinderzimmer hat ausgedient und es müssen neue Grundrisse entstehen, um der Vielzahl an unterschiedlichem Zusammenwohnen gerecht zu werden.
Das war jetzt nur ein kleiner Auszug aus den 17 Kongressbeiträgen zum Humanen Bauen. Wer jetzt noch spontan dazu kommen möchte:
Hier gibt es den Anmeldelink: Humanes Bauen
Es gibt übrigens auch einen Podcast WOHNSINN + RAUMGLÜCK – und im aktuellen Beitrag gibt es auch einen Rabattcode von 25% zum Kongress – das nur als Tipp.
Soviel für heute
Bis bald wieder
Eure Jeanette